Krieg in der Ukraine: Über 70.000 Menschen haben in Belgien vorübergehenden Schutz erhalten
Anfang Juni 2023 hat die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine, die in Belgien eine Bescheinigung über vorübergehenden Schutz erhalten haben, die 70.000-Marke überschritten.
Seit mehr als einem Jahr koordinieren die belgischen Behörden Maßnahmen, um den Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, eine würdige Aufnahme zu bieten. Die unterschiedlichen Aspekte des Konflikts, die sich auf unser Land auswirken können, werden von allen zuständigen Diensten in Belgien aufmerksam verfolgt.
Nach über einem Jahr Krieg möchten wir einen kurzen Einblick geben in die aktuelle Arbeit der belgischen Behörden bei der Aufnahme von Menschen aus der Ukraine und der Beobachtung der Auswirkungen dieses Konflikts auf unser Land.
Aufnahme von Ukrainern in Belgien
Seit März 2022 stellt das Ausländeramt Personen, die aus der Ukraine geflohen sind, Bescheinigungen über vorübergehenden Schutz aus.
So sind bis zum 6. Juni 2023 insgesamt 70.254 Bescheinigungen über vorübergehenden Schutz ausgestellt worden.
Seit einem "Höchststand" in den Monaten März und April 2022 (26.507 bzw. 11.035 ausgestellte Bescheinigungen) war die Tendenz in den Folgemonaten rückläufig, bis im Mai 2023 ein leichter Anstieg verzeichnet wurde (von 1.037 im April auf 1.181 im Mai).
25 % der Personen, die im Registrierungszentrum vorstellig wurden, gaben an, eine Unterkunft zu benötigen. Daher hat Fedasil mehr als 17.000 Vertriebenen aus der Ukraine vorübergehende Notunterkünfte in unserem Land vermittelt.
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine bringt das Nationale Krisenzentrum alle Partner an einen Tisch und koordiniert die Suche nach Lösungen für die Aufnahme von Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind. Mehrere Krisenstäbe, darunter der Bewertungsstab (Celeval, siehe unten), wurden aktiviert und haben sich 2022 und 2023 mehrfach versammelt:
- 41 föderale Koordinierungsausschüsse (COFECO) brachten die Vertreter der Partner zu verschiedenen Themen wie Aufnahme von Ukrainern, Unterbringung, Zusammenarbeit zwischen den Regionen usw. zusammen.
- 36 Bewertungsstäbe (Celeval) brachten Experten der Partnerdienste zusammen, um die Situation vor Ort und ihre Auswirkungen auf die Aufnahme in Belgien zu beurteilen.
- 243 Lageberichte wurden vom Nationalen Krisenzentrum erstellt und den betreffenden Partnern übermittelt. Diese Berichterstattung gibt einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen in verschiedenen Bereichen und Sektoren, darunter Energie, kritische Infrastrukturen, öffentliche Ordnung, Cybersicherheit, Mobilität, humanitäre Lage, Telekommunikation, Informationsmaßnahmen, nukleare Sicherheit, Wirtschaft usw.
Regionen
In Belgien fällt die dauerhafte Aufnahme von Personen mit einem Aufenthaltstitel in den Zuständigkeitsbereich der Regionalbehörden. Die Wallonie, Flandern und die Region Brüssel-Hauptstadt haben Mittel mobilisiert, um die längerfristige Unterbringung von Personen, die dies benötigen, zu ermöglichen. Hierbei wird insbesondere mit Fedasil zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass die aufgenommenen Flüchtlinge über das gesamte Land verteilt werden, und mit den lokalen Behörden, damit geeignete Unterbringungsmöglichkeiten ermittelt werden können.
Region Brüssel-Hauptstadt
Seit Beginn des Konflikts wurden fast 12.000 Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, in die Bevölkerungsregister der Brüsseler Gemeinden eingetragen (Stand 7. Mai 2023), was mehr als dem Doppelten der im nationalen Verteilungsabkommen vereinbarten Quote (21,28 % im Vergleich zu 10 % gemäß dem föderalen Abkommen) entspricht.
Die meisten ukrainischen Staatsangehörigen sind bei solidarischen Bürgern untergekommen oder konnten eine Unterkunft finden. Personen, die keine Unterkunft gefunden haben, werden von der VoG Bruss'help an vorübergehende Gemeinschaftsunterkünfte verwiesen. So sind derzeit über 400 Personen in Zentren untergebracht, die von der Region ausgestattet und verwaltet werden. Bis Ende 2023 werden an acht Standorten, die über ganz Brüssel verteilt sind (ehemalige Hotels, leerstehende Bürogebäude oder modular errichtete Unterkünfte auf freien Grundstücken), über 1.000 Plätze zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus hat die Region Brüssel-Hauptstadt eine einzigartige Partnerschaft mit der ukrainischen Gemeinschaft aufgebaut, indem sie Bezugspersonen aus der Gemeinschaft per Arbeitsvertrag eingestellt hat. Diese sind in sämtlichen Arbeitsgruppen tätig, die für die einzelnen Integrationsbereiche eingerichtet wurden, um an der Entwicklung von Projekten mitzuwirken und diese anschließend bei den Flüchtlingen bekannt zu machen (Unterbringung bei hiesigen Bürgern, Gemeinschaftsunterkünfte, Beschäftigung, Bildung, Gesundheit, soziale Maßnahmen und Kommunikation). Die Region stellt der ukrainischen Gemeinschaft außerdem ein Gebäude zur Verfügung, das sie als Gemeinschaftszentrum nutzen kann. Mit durchschnittlich 200 Besuchern pro Tag (Informationsveranstaltungen, Sprachkurse, Kinderbetreuung, Sport usw.) findet das großen Anklang. Ukrainische Freiwillige haben sich nach und nach zu einer VoG zusammengeschlossen, dem Ukraine Voices Refugee Committee, die unter der Schirmherrschaft der belgischen Zweigstelle des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen steht. Die Vereinigung beteiligt sich mittlerweile an der Organisation der regionalen Gemeinschaftsunterkünfte und unterstützt alle Akteure, die an der Betreuung der Ukrainer mitwirken: Organisation der "tables du logement" (Dienstleistung zur Unterstützung bei der Wohnungssuche) zusammen mit den Gemeinden und ÖSHZ, Dolmetscherdienste, mobile Teams für psycho-medizinisch-soziale Betreuung, Zusammenarbeit mit JobYourself und den Empfangsbüros für Neuankömmlinge usw.
Die Kommunikation über diese Dienstleistungen wird zudem durch das Webportal helpukraine.brussels erleichtert, das alle verfügbaren Informationen aktualisiert und in fünf Sprachen (Englisch, Französisch, Niederländisch, Russisch und Ukrainisch) für Menschen aus der Ukraine zusammenfasst.
Wallonische Region
Die aktuellsten Daten (28. Mai 2023) in Bezug auf die Verteilung ukrainischer Flüchtlinge in der Wallonie und die Unterbringung in anerkannten "konventionierten" Unterkünften lauten wie folgt:
Die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge in der Wallonie beläuft sich auf 10.850 (Stand: 28. Mai 2023), die sich wie folgt auf die Provinzen verteilen: 2.053 in Wallonisch-Brabant (19 %), 2.796 im Hennegau (26 %), 3.250 in der Provinz Lüttich (30 %), 1.224 in der Provinz Luxemburg (11 %) und 1.527 in der Provinz Namur (14 %).
Anfang Juni 2023 gab es in der Wallonie 29 offene "konventionierte" Unterkünfte mit insgesamt 1.207 Plätzen.
Bisher konnten über 1.100 Flüchtlinge in dieser Art von Unterkünften untergebracht werden. Über die Plattform "TempHoWal" werden die Entwicklung der Nachfrage und die Übereinstimmung zwischen Bedürfnissen (Suche nach einer Stadt zum Arbeiten, Nähe zu Familienmitgliedern, öffentliche Verkehrsmittel, Zugang zu Schulen usw.) und dem Angebot überwacht. Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, in solchen "konventionierten" Unterkünften wohnen und diese verlassen möchten, um unabhängig zu werden, werden bei ihrer Suche auf dem regulären Wohnungsmarkt unterstützt.
Darüber hinaus setzt die Wallonische Region ihre Begleitung und Integration ukrainischer Staatsangehöriger fort, indem sie ihnen in Zusammenarbeit mit dem mobilen Team der "Fédération des Maisons Médicales" (Verband der Ärztehäuser), den regionalen Integrationszentren, dem FOREM (GRABA) oder auch dem Roten Kreuz je nach Bedarf eine Betreuung durch medizinische und psychosoziale Dienste anbietet. Die Region sorgt zudem dafür, dass Kinder und Jugendliche an entsprechende Bildungseinrichtungen bzw. gemeinnützige Dienste verwiesen werden.
Auf der Website https://www.wallonie.be/fr/ukraine/ sind alle nützlichen Informationen über die Maßnahmen und Hilfsangeboten für ukrainische Staatsangehörige in der Wallonie zusammengefasst.
Flämische Region
Alle Informationen über die Maßnahmen der Flämischen Region zur Unterstützung von Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, sind auf Vlaanderen helpt Oekraïne | Vlaanderen.be verfügbar.
Beobachtung der Lage in der Ukraine
Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf Europa und den Rest der Welt sind nicht zu überschätzen. Eine Migrationskrise dieses Ausmaßes in solch kurzer Zeit stellt für viele belgische Behörden eine besondere Herausforderung dar. Es ist daher entscheidend, die Art und den Verlauf der Migrationsströme erfassen zu können, um effizient arbeiten und vorausschauend handeln zu können.
Statbel, das belgisches Statistikamt, hat diese Ströme in Form von Daten in einer zentralen Übersichtstabelle zusammengestellt. Seit Beginn der Krise erfasst und veröffentlicht Statbel Daten des Ausländeramtes (AA) und von Fedasil. Grafische und kartografische Darstellungen ermöglichen den verschiedenen Nutzern ein besseres Verständnis der Situation, da die wichtigsten Daten auf einen Blick sichtbar sind. Zudem sind die Daten stets auf dem neuesten Stand: Die Übersichtstabelle wird täglich aktualisiert.
Link: https://statbel.fgov.be/fr/visuals/deplaces-ukrainiens
Was ist in den kommenden Wochen zu erwarten?
Die Marke von 70.000 Bescheinigungen über vorübergehenden Schutz, die seit dem 10. März 2022 vom Ausländeramt ausgestellt worden sind, ist Anfang Juni überschritten worden.
Der Bewertungsstab (CELEVAL) stellt jedoch fest, dass sich die seit einiger Zeit zu beobachtende Stagnation bzw. der leichte Rückgang der Anträge auf vorübergehenden Schutz fortsetzt. Offensichtlich hat sich auch das Profil der Personen, die vorübergehenden Schutz beantragen, verändert. Auch wenn es derzeit schwierig ist, dies mit konkreten Zahlen zu belegen, deuten einige Berichte darauf hin, dass ein stärkerer Zustrom von Personen über andere EU-Mitgliedstaaten stattfindet, die dort bereits vorübergehenden Schutz in Anspruch genommen haben, für die jedoch der umfassendere Sozialschutz in Belgien einen Anreiz darstellt.
Die Nettozahl der Menschen, die an den Außengrenzen der Union ankommen, ist abwechselnd leicht positiv und negativ, was darauf hindeutet, dass vorläufig, auch angesichts der aktuellen militärischen Lage, nicht mit einer Intensivierung der Migrationsströme in unser Land zu rechnen ist.
Weitere Maßnahmen der Behörden
Oben sind die Maßnahmen verschiedener belgischer Behörden in Bezug auf die Aufnahme von Flüchtlingen in Belgien oder die Beobachtung der Auswirkungen des Krieges in der Ukraine beschrieben. Keineswegs handelt es sich dabei um eine vollständige Auflistung. Viele Organisationen und öffentlichen Dienste, die oben nicht aufgeführt sind, arbeiten tagtäglich an der Aufnahme von Vertriebenen aus der Ukraine, beispielsweise unsere Gesundheitsdienste oder lokalen Behörden.
Die potenziellen Auswirkungen des Konflikts in Belgien beschränken sich jedoch nicht auf die Aufnahmeproblematik.
Die Föderalagentur für Nuklearkontrolle (FANK) z. B. verfolgt die Situation weiterhin aufmerksam und arbeitet dabei mit zahlreichen (inter)nationalen Partnern zusammen. Für Belgien sind die mit einem nuklearen Unfall in der Ukraine verbundenen Risiken sehr begrenzt. Die kontinuierliche Überwachung der Radioaktivität in unserem Land und im übrigen Europa ermöglicht es, im Rahmen des Noteinsatzplans für nukleare und radiologische Risiken rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt zu ergreifen.
Zudem behalten die belgischen Behörden auch andere Risiken für die Sicherheit unseres Landes im Auge. So achten sie insbesondere auf Cyber-Bedrohungen, die den Betrieb unserer Infrastrukturen beeinträchtigen könnten.
Schließlich sind noch die Anstrengungen zu erwähnen, die angesichts der Risiken für die Energieversorgung in Belgien unternommen werden. Diese Risiken haben die Behörden dazu veranlasst, Maßnahmen zu ergreifen, um unsere Widerstandsfähigkeit in diesem Bereich zu stärken.